Dokumentation unserer Glocken

Die heutige ev. Johanniskirche in Schwerte-Ergste, erbaut 1824-31, geht auf einen 1821 durch Brand zerstörten Bau des 12. Jh. mit Rundturm zurück, vermutlich hatte auch diese Kirche in einer Taufkirche eine frühzeitliche Vorgängerin. Der Architekt F. W. Buchholtz plante einen klassizistischen Bau, der sich, durch Schinkel geprägt, stark an neogotische Formen anlehnt. Hinweise zur Ausstattung finden sich im Film bzw. im Netzhinweis bei den Quellenangaben. 

Ob eine Orgel schon 1831 errichtet wurde, ist nicht sicher zu sagen. Der Prospekt aus dem 18. Jh. stammt vermutlich aus dem Sauerland und wurde über eine ev. Gemeinde in Hessen angekauft. 1869 wurde ein neues Werk der Schwelmer Firma J. A. Ibach eingebaut, dabei der Prospekt durch die zwei flach geschlossenen Felder erweitert. 1968/70 wurde das Werk durch die Göttinger Firma Ott umgearbeitet und um das formschöne Rückpositiv ergänzt, hinzu kam ein neuer Spieltisch. Das vollmechanische Werk hat 18 Register.

Die für den Autor nachvollziehbare Geschichte des Geläutes beginnt mit der Erwähnung, das beim Brand der alten Kirche 1821 3 Glocken geschmolzen seien. Eine davon wurde erst 1819 von Rincker in Affeln im Sauerland gegossen. Das geschmolzene Material wurde mit hinzugekaufter Bronze 1823 zu 4 neuen Glocken verarbeitet, gegossen ebenfalls durch Rincker. Für diesen Guss werden 3 große Glocken und eine kleine Schlagglocke genannt, deren Nachfolgerin 1891 von Wilhelm Rincker in Westhofen gegossen wurde. Diese Glocke ist, nachdem sie seit 1921 in der Schule Bürenbruch als Schul- und Läuteglocke für Gottesdienste gedient hat, mittlerweile wieder in der Johanniskirche angekommen, leider aber nur abgestellt. Sie hat einen errechneten Durchmesser von ~590 mm. Die 3 großen Glocken wurden im ersten Weltkrieg eingeschmolzen. 

Die Geschichte des jetzt im Turm hängenden Geläutes aus Gußstahlglocken des Bochumer Vereins (BVG) beginnt im Januar 1920, als der BVG ein Angebot über ein Geläut dis‘ fis‘ a‘ vorlegte. Bereits hier wies der BVG auf eine Lieferzeit von 6 Monaten hin. Ein weiteres Angebot, ebenfalls über ein dis‘ fis‘ a‘, datiert vom 08.10.1920, eine Lieferung bis Ostern 1921 wird zugesagt, die Bestellung erfolgte schon einen Tag zuvor.  Die Glocken wurden noch 1920 gegossen, das Gutachten des Altenbochumer Organisten A. Grosse-Weischede datiert vom 23.12.1920. Die Glocken wurden lt. Lieferschein am 03.01.1921 geliefert. Vor dem Einbau in den Turm wurde der vorhandene Stuhl durch die ortsansässige Zimmerei H. Bornemann angepasst, die nötigen Maurerarbeiten führte die Firma Karl Kirchhoff durch. An der Montage beteiligt war der Ergster Huf- und Wagenschmied Fritz Kramer. Die Rechnungsstellung des BVG erfolgte im Februar 1921, die Glocken kosteten samt Jochen, Klöppeln und Montage 26.550 Mark. 

Alle 3 Glocken zeigen heute eine feingliedrige Patina, die ehemals zweifarbige Lackierung ist noch zu erahnen. Sie hängen an Stahljochen, die sich durch die Aufschrift als Krupp-Normalprofile ausweisen – Krupp war der Hauptkonkurrent des BVG! Ursprünglich läuteten die Glocken mit Zahnkranzrollenlagern – vielleicht sind die Joche bei einer Neulagerung zu einer Zeit (~1963?) ausgetauscht worden, als der BVG schon zum Krupp-Konzern gehörte? Nach Absturz eines Klöppels sind alle Klöppel erst vor kurzem überarbeitet und mit neuen Puffern versehen worden. Das Geläut hängt in einem massiv wirkenden, wohl bauzeitlichen Holzstuhl (Kastenverband) mit 2 Feldern, das östliche Feld hat 2 Geschosse. Die frühere Aufhängung der „Schlagglocke“ konnte nicht entdeckt werden. 

Klanglich überzeugt vor allem Glocke 3 mit ihrem kräftigen Untermollsext-Gesang. Sie überstrahlt das Geläut, auch weil sie direkt in Höhe der Schallfenster hängt. Ein insgesamt respektables, klangvolles Geläut, das Ende 2020 seinen 100. Geburtstag feiern kann!

Geläutedaten/Inschriften:

1. dis‘, 1430 mm, 1264,5 kg
SEID FRÖHLICH IN HOFFNUNG.

2. fis‘, 1260 mm, 811 kg
GEDULDIG IN TRÜBSAL.

3. a‘, 1016 mm, 449 kg
HALTET AN AM GEBET.

Auf allen 3 Glocken am Hals: GEG. V. BOCHUMER VEREIN I. BOCHUM 1920

Aufnahme: 09.05.2020 als Sondergeläut

Alle Fotos eigener Provenienz. 

Herzlicher Dank gilt Herrn F. Pientka aus der Ergster Gemeinde – für die Initiative zu dieser Dokumentation, die frdl. Beschaffung von Unterlagen, die angenehme Zusammenarbeit und die Begleitung beim Ortstermin. 

Verwendete Quellen/Literatur:

Dokumente zum Liefervorgang des Geläutes von 1920, aufbewahrt im Archiv der ev. Kirche von Westfalen, Bielefeld. 

Ev. Kirchengemeinde Ergste (Hrsg.): 150 Jahre Einweihung der St. Joh. Kirche Ergste, Ergste 1981, Eigenverlag

Dr. H.-Chr. Tacke: Gutachten über die Ibach-Ott-Orgel der Ev. Kirche in Schwerte-Ergste, Bochum 2014.

Karl Walter: Glockenkunde, Regensburg/Rom 1913. 

G. E. Köhler: Die Glockengiesser Rincker, Brühlsche Universitätsdruckerei Gießen, 1961.